Synonyme: Quercus turneri var. pseudoturneri (C.K.Schneid.) Elwes & A. Henry 1910, Quercus x hispanica 'Pseudoturneri'
Wissenswertes
Die Wintergrüne Eiche von Spencer Turner ist auch als Turner-Eiche (engl. Turner‘s Oak, franz. Le Chêne turnère) bekannt. Sie wurde bereits 1785 mit zwei anderen Eichen aus dem königlichen Schlosspark Trianon bei Versailles von Jean Baptiste Lamarck als Spanische Eiche Quercus hispanica beschrieben, da er davon ausging, dass es sich bei ihr um eine Wildhybride von der Iberischen Halbinsel handelt. Als Eltern vermutete er die Zerreiche Quercus cerris und die Korkeiche Quercus suber, da diese in den Schnittpunkten ihrer natürlichen Verbreitungsgebiete gern zur Hybridisierung neigen und die „Gibraltar-Eiche“, die er als Typ benannte, diese Beobachtung bestätigt und deutliche Korkleisten aufweist. Alle drei von ihm beschriebenen Bäume waren dauergrün (wintergrün bzw. immergrün), unterschieden sich aber stark in der Morphologie der Blätter und gehören heute zu drei unterschiedlichen Arten. Die Turner-Eiche, die Lamarck in seine Beschreibung einbezogen hat, dürfte zu diesem Zeitpunkt höchstens 20 Jahre alt gewesen sein und war daher noch in ihrem Jugendkleid und ihre Blattform noch nicht ausgereift. Ungefähr 20 Jahre später erkannt Carl Ludwig Willdenow, ein bedeutender deutscher Botaniker aus Berlin an einem Exemplar der Turner-Eiche im Botanischen Garten in Berlin-Dahlem, dass es sich bei ihr nicht um eine Wildhybride aus Zerr- und Korkeiche, sondern um eine gärtnerische Züchtung und vielmehr eine Kreuzung von Steineiche Quercus ilex und Stieleiche Quercus robur handelt und benannte sie deswegen neu als Quercus x turneri WILLD. 1809 nach dem Erzeuger Spencer Turner.
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Mitte des 18. Jahrhunderts waren in England die Landschaftsgärten groß in Mode gekommen. Für diese brauchte eine stetig wachsende Kundschaft von Besitzern kleinerer oder größerer Landgüter mit entsprechenden Gärten dringend dauergrüne Laubgehölze, um dort die idealisierten italienischen oder griechischen Landschaften künstlerisch nachzuformen. Die immergrüne Steineiche Quercus ilex aus dem Mittelmeerraum war deswegen schon in England eingeführt worden. Allerdings verträgt sie selbst die milden Winter in England nicht besonders gut und lies sich nur in geschützten Lagen oder in Wintergärten gut kultivieren. Was lag da näher als mit gärtnerischen Mitteln zu versuchen eine winterharte Variante der Steineiche herzustellen, die auch im Norden Europas erfolgreich im Freiland angepflanzt werden kann. Dem Baumschulenbesitzer Spencer Turner aus Holloway Down in Essex gelang dies erfolgreich, indem er sie mit der heimischen Stieleiche Quercus robur kreuzte, die zwar laubwerfend aber robust und winterhart ist. Die Turner-Eiche als Produkt dieser beiden Eltern ist angemessen winterhart und hat ein Laub, dass mehr an die Stieleiche als an die Steineiche erinnert. Sie wächst als buschiger, tiefkroniger, kurzstämmiger Baum mit 7-15 m Höhe und 3-9 m Breite, der in jungen Jahren eher einen schmal-birnenförmigen, spitz-kegelförmigen und teilweise fastigiaten Wuchs mit senkrecht nach oben strebenden Ästen aufweist. Im Alter wird die Turner-Eiche zunehmend breiter und bekommt eine rundliche Krone. Einzelne Bäume können sogar mehrstämmig strauchartig wachsen. Das älteste Exemplar mit mehr als 200 Jahren steht in den Royal Botanic Gardens, Kew in London. In Deutschland stehen die ältesten Exemplare in Potsdam bei Schloss Sanssouci und im Berliner Botanischen Garten. 1982 in den Staudenhof gepflanzt, entwickelt unser 'Pseudoturneri' mit zunehmendem Alter eine breite Krone, die aus dem Innenhof ragt. Die extreme Dürre mit Temperaturen nahe 40°C im Jahr 2022 hat die Turner-Eiche schadlos überstanden und dürfte langfristig zu den Klimagewinnern unter den Gehölzen gehören. Die Blätter der Turner-Eiche sind ca. 7-13 cm lang, ledrig-grün, breit-elliptisch und grob-kerbig gezähnt. Sie haben ihre größte Breite unterhalb der Blattmitte und die Blattbasis ist rund-keilförmig. In der Verlängerung der Blattnerven treten stachelartige Spitzen am Blattrand auf. Die Blattunterseite ist grün bis grau und bei jüngeren Exemplaren leicht filzig behaart. Die Turner-Eiche ist wintergrün, d.h. sie verliert ihre Blätter meist Ende des Winters oder im Frühjahr, wenn die neuen Blätter erscheinen. Einzelne Blätter werden 10-15 Monate alt. Sie blüht im Mai und Juni mit dichten filzig-behaarten Kätzchen. Die Früchte erscheinen im September als schmale ca. 2 cm lange gestielte Eicheln, die in Gruppen von 3-7 Stück zusammenstehen. Die jungen Zweige sind grau-filzig und bekommen im Alter eine graubraune gefurchte Rinde mit Korkleisten.Wenn man alle kultivierten Turner-Eichen unterschiedlichen Alters miteinander vergleicht, fällt einem die Polymorphie der Blätter auf, die zum Teil sehr länglich und schmal-elliptisch sein können, eine spitz zulaufende, asymmetrische Blattbasis und die größte Blattbreite oberhalb der Mitte haben. Auch treten Blätter mit welligem wenig-gekerbten Blattrand ohne Spitzen auf. Zum Teil tritt diese Heterophyllie auf ein und demselben Baum von der Basis zur Krone oder vom Jugend- zum Erwachsenenstadium auf. Das hat unter anderem in der Vergangenheit auch zur Unterscheidung zwischen Quercus turneri und Quercus pseudoturneri geführt. Heute wird das als intraspezifische Variation dieses Hybriden aus zwei so unterschiedlichen Arten wie Stieleiche und Steineiche interpretiert. Die Merkmale beider Eltern treten in unterschiedlicher Mischung bei den Nachkommen auf. Konzeptionell verfährt man heute so, dass man Exemplare, bei denen phänotypisch die Merkmale der Steineiche Quercus ilex überwiegen als ‘Turneri‘ und solche bei denen die Merkmale der Stieleiche Quercus robur überwiegen, als ‘Pseudoturneri‘ bezeichnet. Manche der Turner-Eichen sind nicht hundertprozentig wintergrün, sondern färben ihre Blätter gelb und werfen diese schon früh im Winter ab. Auch dies ein Merkmal für die hohe Variabilität innerhalb der Turner-Eichen.