Neottia ovata
Deutscher Name: Großes Zweiblatt
Synonyme: Epipactis ovata (L.) CRANTZ, Helleborine ovata (L.) F.W. SCHMIDT, Malaxis ovata (L) BERNHARDI, Serapias ovata (L.) STEUDEL, Listera ovata (L.) R.BR.
Wissenswertes
Ursprünglich trug das Große Zweiblatt den Gattungsnamen Listera, benannt nach dem englischen Arzt und Naturforscher Martin Lister. 2018 belegten Gensequenzierungen schließlich die Zugehörigkeit zur Gattung Neottia. Gelten Orchideen weithin als beliebt und geschätzt, findet das Große Zweiblatt hingegen kaum Beachtung. So schreibt J. C. Bernhard bereits 1764 ziemlich abwertend: „Das Vieh frißt es nicht, wenns ihm allein vorgelegt wird; gleichwol ist es der Mühe nicht werth, dasselbe auszurotten; da es nicht nur seiner Gröse wegen nicht sonderlich beträchtlich, und seine bulböse Wurzel ziemlich tief unter der Erde verborgen ist. Ist es demnach gleich kein gutes und vortheilhaftes Wiesengewächs, so muß man doch zufrieden seyn, daß dessen Genuß dem Viehe nicht nachtheilig ist.“
Meistens jedoch wird das Große Zweiblatt einfach übersehen, denn es blüht von Mai bis Juni recht unscheinbar. Oft sitzen über siebzig kleine Einzelblüten mit tiefgelapptem Labellum an einem einzigen lockeren Blütenstand, sind aber vor grünem Hintergrund kaum wahrzunehmen. Ein drüsig behaarter Stiel stellt sicher, dass nur fliegende Insekten die Blüten erreichen. Neben Käfern bestäuben vor allem Schlupfwespen. Wie bei allen Arten der Nestwurze stellt auch das Große Zweiblatt die Pollenübergabe an das Insekt mit einem Trick sicher. Kriecht ein Insekt in die Blüte um am Grund des Labellum nach Nektar zu suchen und berührt dabei die Spitze des Rostellum, reagieren Mechanorezeptoren und sondern explosionsartig einen zähen Schleim ab, der Pollen auf dem Insekt festklebt. Um Selbstbestäubung zu verhindern, senkt sich das Rostellum und verdeckt die Narbe, sodass der eigene Pollen nicht vom Insekt übertragen wird. Erst nach einiger Zeit hebt sich das Rostellum wieder. Die Fruchtknoten reifen zu Kapseln heran, in denen sich sehr kleine schwarze Samen entwickeln, die über den Wind verbreitet werden.
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Im Gegensatz zu den meisten anderen Orchideen zeigt das Große Zweiblatt eine recht breite Standortamplitude und gedeiht sowohl auf basenreichen Ton- und Lehmböden der Halbtrocken- und Trockenrasen, als auch auf Wirtschaftsgrünland und Fettwiesen, sowie in den Säumen und Gehölzbeständen von Auen- und Buchenmischwäldern. Sogar auf sauren Böden in Fichten-Monokulturen wird es gesichtet. Es gilt als Tonboden- und Wechselfeuchtezeiger. Die Art ist in NRW weit verbreitet und kommt in allen Großlandschaften vor. Verbreitungsschwerpunkte lassen sich vor allem in den Kalkgebieten der Eifel, des Süder- und Weserberglande ssowie der Westfälischen Bucht erkennen. Lediglich in den Bördenlandschaften, dem Rothaargebirge sowie Teilen der Westfälischen Bucht und des Niederrheinischen Tieflandes ist die Fundortdichte deutlich geringer. Kein Wunder also, dass sich diese Art bei uns im Botanischen Garten ganz von alleine eingestellt hat und heimlich zwischen Storchenschnabel und Fingerhut wächst. 1992 wurde das Große Zweiblatt vom Arbeitskreis Heimische Orchideen zur Orchidee des Jahres gekürt. Obwohl die Art weit verbreitet und häufig ist, wird ein mäßiger Rückgang festgestellt.
Auf einen Blick
Hausgarten | |
von West-Europa über Sibirien bis nach Südwest-Asien | |
Staude | |
Horst oder Schaft, kriechender Wurzelstock (Rhizome bildend) | |
20-50 cm hohe, eintriebige Staude |
Wissenschaftliche Informationen
Neottia ovata (L.) BLUFF & FINGERH. | |
Orchideaceae (Orchideengewächse) | |
Neottia | |
ovata | |
Epipactis ovata (L.) CRANTZ, Helleborine ovata (L.) F.W. SCHMIDT, Malaxis ovata (L) BERNHARDI, Serapias ovata (L.) STEUDEL, Listera ovata (L.) R.BR. |
Standort
GR2, Fr2, St2 | |
sonnig, lichtschattig, halbschattig | |
wechselfeucht, mäßig feucht, frisch, mäßig trocken | |
durchlässig, lehmig, nährstoffarm, schluffig, tonig | |
pH 6-8 | |
6a | |
CSR-Stratege | |
II |
Verwendung
ungenießbar | |
Nein, nicht duftend |
Blätter
Zwei Laubblätter als Charakteristikum der Art |
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zwei (bis vier, dann kreuzförmig angeordnete) 5-15cm lange, 3-8cm breite, gegenständige, stängelumfassende, parallelnervige, rundlich ovale bis eiförmige Laubblätter in Bodennähe | |
sommergrün | |
Nein |
Blüte
Einzelblüte |
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ein Blütenstand pro Blattpaar mit 20 bis 50 (70) traubig angeordneten, allseitswendigen, zygomorphen Blüten,11 bis 16 mm groß, spornlos, bestehend aus Sepalen und Petalen, die leicht nach vorn gekrümmt einen kleinen Helm bilden, Labellum tief zweispaltig mit stumpfen Zipfeln geteilt, am Grund mit Nektarium und zur oberen Lippenhälfte mit Längsfurche versehen, oft deutlich sichtbarem Nektarfaden | |
April, Mai, Juni | |
Insektenbestäubung | |
grün |
Frucht
Junge Früchte Ende Mai im Garten |
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Kapselfrucht bis 0,5cm breit | |
Juni, Juli | |
Juli, August |
Wurzelsystem
Rhizom | |
kurzes, walzenförmiges Rhizom mit mehreren erkennbaren Jahresabschnitten, Wurzeln fleischig und meist horizontal kriechend, mykorrhiza-assoziiert (Myko-Heterotrophie). | |
niedrig |
Jahreszeiten
Drüsig behaarter Blütenstand |
Besonderheiten / Zusätzliche Daten
einheimisch, Rote-Liste-Deutschland Gefährdungsstatus: ungefährdet | |
Am Naturstandort |
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Gesundes Exemplar in einer Wiese |
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Weit zurückgebogenes Labellum mit Nektarspur |
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Blütenstand im Gegenlicht |
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Spontane Einwanderung in den Hausgarten |
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Gut versteckt, Grün in Grün |
Verfasser / Literatur
Jessica Gabler | |
Jessica Gabler | |
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