Echium vulgare

J. Gabler
Schnellüberblick

Deutscher Name: Natternkopf

Synonyme: Echter Natternkopf, Gewöhnlicher Natternkopf, Gemeiner Natternkopf, Blauer Natternkopf, Stolzer Heinrich, Himmelbrand, Starrer Hansl

Wissenswertes

Echium vulgare gehört zur Familie der Boraginaceae, auch Raublattgewächse oder Borretschgewächse genannt. Die Gattung umfasst insgesamt circa 65 Arten. Natternkopf ist in ganz Europa und Westasien bis nach Xinjiang verbreitet und gehört somit zu den hier in Deutschland heimischen Pflanzenarten. Er ist eine Charakterart des Echio-Melilotetum, der Natternkopf-Steinklee-Gesellschaft und ein Alteinwanderer (Archäophyt) aus dem Mittelmeerraum. Echium ist das altgriechische Wort für Schlange oder Natter. Benannt wurde die Gattung sehr wahrscheinlich nach ihren auffallenden Griffeln, welche am Ende gespalten sind und somit an eine Schlangenzunge erinnern. Für die Namensgebung könnten jedoch ebenso die charakteristischen, rachenförmigen Blüten sowie die eingerollten Blütenstände ausschlaggebend gewesen sein.

Der Gewöhnliche Natternkopf ist ein Hemikryptophyt, also eine zwei- bis mehrjährige Halbrosetten-Pflanze, die im ersten Jahr nach der Keimung im Herbst eine grundständige Blattrosette mit tiefer Pfahlwurzel ausbildet und so den Winter überdauert. Die Wurzeln können eine Tiefe von bis zu 2,5 Metern erreichen. Im zweiten Jahr bildet sich dann ein verlängerter, beblätterter, Blüten tragender Spross aus. Nach der Blüte stirbt die Pflanze in allen Teilen ab (hapaxanth). Blätter und Stängel sind sehr rau und mit kurzen, steifen Borstenhaaren bedeckt, die vor Schneckenfraß und Wildverbiss schützen. Die Pflanze hat somit ein auffällig stark behaartes Erscheinungsbild. Winzige rote, nahezu schwarz erscheinende Flecken auf den Trieben sind ebenso charakteristisch für die Art. Die immergrünen Blätter sind wechselständig angeordnet, weisen eine lineal-lanzettliche Blattform auf, sind ganzrandig gewellt und können eine Länge von bis zu zehn Zentimetern erreichen. Der Gewöhnliche Natternkopf erreicht im zweiten Jahr mit der Blütenbildung eine Höhe von 30-70 cm, kann aber auch bis zu einem Meter hoch werden, da die Höhe standortabhängig ist. Die Blüten verfärben sich mit fortschreitender Blühdauer von einem kräftigen rosa über Violetttöne bis hin zu einem leuchtenden blau, wie es auch bei vielen anderen Raublattgewächsen der Fall ist. Die Blütenform kann hierbei als trichterförmig oder rachenförmig sowie kronröhrig beschrieben werden. Die fünfzähligen Blüten sind schwach zygomorph und stehen in Thyrsen mit einfachen Wickeln. Sie weisen eine doppelte Blütenhülle (doppeltes Perianth) auf. Aus dem Blütenstand ergibt sich auch die lange Blütezeit der Pflanze, da sie von innen nach außen über die Wickel aufblüht. Die Blüten sind protandrisch. Der Pollen reift also vor dem Fruchtknoten, um eine Selbstbefruchtung zu vermeiden. Die Kronblätter der Blüte werden in der Regel zwischen 15 und 22 mm lang. Ebenso charakteristisch sind die ungleich langen Staubblätter, die aus der Blüte herausragen. Die bereits oben angesprochenen, zweispaltigen Griffel der Pflanze sind zwischen den Klausen grundständig und dienen zusammen mit den Staubblättern als Landeplatz für die Bestäuber. Die Pollenkörner der Art sind grau-blau und mit 0,1 mm sehr klein. Echium vulgare bildet eine wichtige Nektarquelle für Falter und Bienen, unter anderem für Mauerbienen, von denen einige Arten ausschließlich diesen Pollen für Ihre Nachkommen nutzen. Zu diesen streng oligolektischen Arten gehören Osmia adunca (ungefährdet), Osmia anthocopoides (gefährdet) und Osmia lepeletieri (ausgestorben oder verschollen). Da die beschriebene grau-blaue Pollenfarbe unter unseren einheimischen Wildpflanzen eher selten ist, sind die Besucher, die diesen Pollen sammeln, schnell zu erkennen. Der Fruchtknoten der Pflanze ist tief vierspaltig und zerfällt nach dessen Ausbildung in vier glatte, kleine Teilfrüchte, die sogenannten Klausen. Die Ausbreitung der Diasporen bzw. Klausen erfolgt zumeist über Kleb- und Klettwirkung durch Tiere oder den Menschen sowie durch den Wind.

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Echium vulgare ist auf allen durchlässigen, sandig-kiesigen, nährstoff- und humusarmen Böden in sonniger Lage anzutreffen. Die Art kommt in Ruderalflächen, vor allem in Bahn- und Hafenanlagen, Dünen und Industrieflächen, an Wegrändern sowie auf Mauerkronen und Trockenrasen vor und wird in der Gartenkultur gerne für Dachgärten, Kiesbeete oder naturnahe Wildgärten eingesetzt. An entsprechenden Standorten kann Echium vulgare sich zahlreich versamen, wie es auch hier im Botanischen Garten der Fall ist. Die Pflanze ist schwermetallverträglich und damit auch auf Industriebrachen mit dementsprechend belasteten Böden vorzufinden. Die Pflanzenteile sind für kleinere Warmblütler giftig, durch ihren Allantoin-Gehalt sowie Pyrrolizidinalkaloide (u.a. Heliosupin). Die Pflanze wurde in geringen Dosen als Heilpflanze in der Volksmedizin eingesetzt, da sie eine diuretische, entzündungshemmende, schweißtreibende, adstringierende und antirheumatische Wirkung hat. Für den Menschen ist die Pflanze höchstens in Maßen verzehrbar, da ihr nach einer längeren Verwendung eine leberschädigende und karzinogene Wirkung nachgesagt wird. Die jungen Blätter und Triebe werden vor der Blüte für Frühjahrssalate genutzt oder können für Spinat- und weitere Gemüsegerichte verwendet werden. Der Geschmack ist aromatisch und erinnert an den der Gurkenschale, wobei die Borsten der Pflanze den Verzehr eher unangenehm gestalten können. Sobald die Blütezeit der Pflanze beginnt, werden ihre Blätter und Triebe zu trocken für den Verzehr, weshalb hier nun die Blüte Verwendung in der Küche findet - zum Beispiel als frische Beigabe im Frischkäse, getrocknet in Teemischungen, oder als reine Dekoration. Echium vulgare zählt aufgrund seiner langen Blütezeit als gute Bienenweide und wird auch von über 40 Schmetterlingsarten als Nektarquelle und zum Teil als Futterquelle für deren Raupen genutzt. Zugleich ist sie eine geschätzte Nebentracht in der Imkerei, da der Zuckergehalt im Nektar ca. 25% ausmacht (rund 1,64 mg Zucker je Tag und Blüte). In der Imkerei muss jedoch das Verhältnis zu anderen Nektarquellen ausgewogen sein, um der giftigen Wirkung der Pflanze im Endprodukt entgegen zu wirken.

Auf einen Blick

7.2 Biodiversitätsstreifen
Europa und Westasien bis nach Xinjiang
Staude
Rosettemehrere, meist dem Boden aufliegende Blätter, oft mit Übergang zu kriechendem Wurzelstock oder Matten- und Polsterbildung
Rosettenbildung nach Keimung im 1. Jahr, Ausbildung von blatttragenden Stängeln mit Blütenbildung im Folgejahr; Stängel und Blätter stark behaart (steife Borsten), Stängel stielrund mit winzigen, dunklen Flecken
schwermetallverträglich

Wissenschaftliche Informationen

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Echium vulgare L.
Boraginaceae (Raublattgewächse)
Echium
vulgare
Echter Natternkopf, Gewöhnlicher Natternkopf, Gemeiner Natternkopf, Blauer Natternkopf, Stolzer Heinrich, Himmelbrand, Starrer Hansl

Standort

Fr1Freifläche, trockener Boden, Fr2Freifläche, frischer Boden, SH1Steppenheide, trockener Boden, SH2Steppenheide, frischer Boden, FS1Felssteppen, trockener Boden, FS2Felssteppen, frischer Boden
vollsonnigLichteinfluss von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, sonnigBesonnung mindestens von Sonnenaufgang bis Mittag, von Mittag bis Sonnenuntergang
mäßig trockenpF 4,0, trockenpF 6,5-4,1
durchlässigSubstrat mit guten Drain-Eigenschaften, Wasser kann abfließen, flachgründigA-Horizont des Bodens geht rasch in den C-Horizont (anstehendes Gestein) über, meist karg und nährstoffarm in Hügelland, Mittelgebirge oder Steilhängen, kiesigBoden mit 20-40% Massenanteil an Korngrößen zwischen 2 und 63mm, lehmigBoden mit anorganischen Bestandteilen aus etwa gleichen Anteilen von Ton, Schluff und Sand, nährstoffarm, sandigBoden mit 20-40% Massenanteil an Korngrößen zwischen 0,063 und 2mm, schluffigBoden mit 15-40% Massenanteil an Korngrößen von 0,063-0,63mm und unter 20 % Massenanteil an Korngrößen unter 0,063 mm, skelettreichBoden mit min. 75% mineralischer Komponenten >2mm, steinigBoden reich an Korngrößen >63mm
pH 7-9
3avon −39,9 °C bis −37,3 °C
SR-StrategeStress-Ruderal-Strategen ertragen auf unproduktiven Standorten regelmäßige Störungen. Moose und unscheinbare, kleine, kurzlebige Stauden, z.B. Arten auf Standorten mit einem Faktor im ökologischen Minimum oder Maximum, z.B. kurzlebige Einjährige auf Trocken- oder Nassstandorten
Imöglichst einzeln oder in kleinen Tuffs von 1-3 Stück pflanzen, IIin kleinen Trupps von 3-10 Pflanzen gruppieren

Verwendung

Dach- und Steppengärten mit Wildstaudencharakter, Kiesbeete und naturnahe Wildstaudengärten, Renaturierung von Brachflächen
leicht giftig
gute Bienenweide und wichtige Insektennährpflanze; streng oligolektische Wildbienenarten: Osmia anduca, Osmia anthocopoides und Osmia lepeletieri, Raupenfutterpflanze und/oder Nektarpflanze für etwa 40 Schmetterlingsarten, u.a. für Heliothis ononis, Proserpinus proserpina und Yiyoga forcipula.
Osmia adunca an Echium vulgare
Lasioglossum calceatum mit grau-blauem Pollenhöschen
Bombus pratorum an Echium vulgare
schnittunverträglich bis schnittempfindlich, wird der schiebende Blütenstand im Aufwuchs abgemäht, bildet sich häufig eine neuer, verzweigter Blütenstand, trittunverträglich und trittempfindlich

Blätter

Blattrosette, Einzelblätter wechselständig, lineal-lanzettlich, ganzrandig gewellt, bis 10 cm lang, stark behaart, skleromorph
immergrünImmergrüne Gehölze treiben im Frühjahr aus, das Gesamtblattkleid wird im Verlauf von 3-11 (-15) Vegetationsperioden erneuert, die Blätter leben mehrere Jahre, Blattfall erfolgt nicht zu einem festen Zeitpunkt, sondern über das Jahr verteilt
Nein

Blüte

5-zählige Blüten stehen in Thyrsen mit einfachen Wickeln, doppeltes Perianth, dorsiventral (mit Ober- und Unterseite), schwach zygomorph, Kronblätter zwischen 15-22 mm lang; ungleich lange, aus d. Blüte herausragende Staubblätter und zweispaltige Griffel, Blüte protandrisch
Juni, Juli, August, September
InsektenbestäubungBestäubung durch Insekten
blau

Frucht

Fruchtknoten tief vierspaltig, zerfällt in vier glatte Klausen
August, September, Oktober

Wurzel­system

WurzelÜberwinterung in einem unterschiedlich differenzierten Wurzelstock
Pfahlwurzel (bis zu 2,5 m tief)

Jahreszeiten

Rosetten Ende März

Besonderheiten / Zusätzliche Daten

ArchäophytPflanzen die vor 1492 (Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus) bewusst oder unbewusst in Gebiete eingeführt wurden, in denen sie natürlicherweise nicht vorkamen, einheimischnatürliche rezente Verbreitung in Mitteleuropa, schneckenfest

Verfasser / Literatur

Anja Lips
Anja Lips, Jessica Gabler
  • Bundesamt für Naturschutz, Floraweb (2023): Echium vulgare L. - Online verfügbar: zuletzt abgerufen am 29.07.2023
  • Staudengärtnerei Gaißmayer (2023): Echium vulgare. - Online verfügbar: zuletzt abgerufen am: 29.07.2023
  • Reif, J., Härtel, W. (2014): Foerster-Stauden Kompendium. 6. Auflage. Foerster Stauden GmbH [Hrsg].
  • Fleischhauer, S. G., Guthmann, J. & Spiegelberger, R. (2019): Essbare Wildpflanzen - 200 Arten bestimmen und verwenden - 21. Auflage - AT Verlag, Baden und München [Hrsg.], ISBN: 978-3-03800-886-6
  • Arnulf Schultes & Roland Bönisch (2023): Pflanzen in Deutschland. Echium vulgare. - Online verfügbar: zuletzt abgerufen am: 29.07.2023
  • H. Stephan, M. Wichert, T. Puhlmann, S.H. Ahmed (2023): NaturaDB. Echium vulgare. - Online verfügbar: zuletzt abgerufen am: 29.07.2023
  • UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH (2023): BiolFlor - Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland - Echium vulgare - Online verfügbar: zuletzt abgerufen am: 29.07.2023
  • Bouillon, Jürgen (2013): Handbuch der Staudenverwendung. Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer. ISBN 978-3-8001-2156-4
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