Daucus carota

J. Gabler
Schnellüberblick

Deutscher Name: Wilde Möhre

Synonyme: Daucus carota subsp. carota, Carota sativa Rupr., Carota sylvestris Rupr., Caucalis carnosa Roth, Caucalis carota (L.) Cr., Caucalis carota Huds., Caucalis daucus Cr.

Wissenswertes

Bei der Wilden Möhre Daucus carota subsp. carota handelt es sich um eine einheimische Wildpflanze und sehr alte Kulturpflanze, die durch ihre dekorativen, weißen Blütendolden besticht. Unterirdisch bildet sie bereits im ersten Jahr ihre weißliche, essbare Pfahlwurzel aus, die mit Zucker angereichert wird und so ab September (Aussaatjahr) bis in das Frühjahr des zweiten Jahres geerntet werden kann. Sie ist neben ihrer Zucht- bzw. Kulturform Daucus carota subsp. sativus die einzige in Mitteleuropa heimische Unterart der Möhre.

Daucus carota gehört zur Familie der Doldenblütler. Die Art ist zweijährig, was bedeutet, dass sie im ersten Jahr eine niedrige Blattrosette entwickelt und erst im darauffolgenden Sommer blüht. Sie wächst aufrecht und weist eine borstige Behaarung der Stängel auf. Ihre Laubblätter sind zwei- bis vierfach gefiedert und der Sproß erreicht Wuchshöhen zwischen 30 bis 120 Zentimetern. Ihre Hüllblätter sind dreiteilig bis fiederschnittig, geben der Dolde durch ihre Länge ein filigranes und fast thronendes Äußeres und erinnern in ihrer Anordnung an einen Stern. Ihre Doldenblüten sind in der Regel weiß, nur in seltenen Fällen gelblich oder rosa angehaucht. Eine Farbvariante bietet hier die Sorte 'Dara', die mit lila-violetten Dolden besticht. Die im Zentrum der Blütendolde sitzende, schwarze, meist einzelne, sterile Blüte soll vermutlich - bzw. umstrittener Maßen - ein bereits gelandetes Insekt vortäuschen und so weitere Bestäuber anlocken. Diese wurde auch "Mohrenblüte" genannt und ist voraussichtlich namensgebend für die hiervon abgeleitete, heutige Bezeichnung der Pflanze als Möhre (Mohrrübe). Das beschriebene, abgewandelte Döldchen erhält seine Farbe durch Anthocyane, die es rötlich bis schwarz-violett färben. Dieses Döldchen ist kennzeichnend für die Art und zählt neben den charakteristischen Hüllblättern zu den Unterscheidungsmerkmalen, die sie von anderen, zum Teil giftigen Vertretern der Apiaceae unterscheiden. Ihre Nektarien sind freiliegend und die Blüten sind streng proterandrisch, was bedeutet, dass ihre Staubbeutel abfallen, bevor die Narben reifen. Die Doldenstiele krümmen sich nachts, was man auch als Nyktinastie bezeichnet. Typisch sind auch die bei Feuchtigkeit bzw. zur Fruchtreife nestartig zusammengezogenen Fruchtstände, die ästhetisch fast ebenso ansprechend sind, wie die zuvor geöffneten Blütendolden. Die Verbreitung der reifen Teilfrüchte erfolgt durch Anemochorie und Epichorie

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Daucus carota kommt vor allem auf trockeneren, nährstoffreichen Wiesen- und Wegrändern vor und gilt zudem als Kulturbegleiter. Die Art besiedelt bevorzugt Lehm- oder Tonböden und zählt zu den Pionierpflanzen. Ökologisch bedeutend ist Daucus carota für Insekten aller Art - besonders für Käfer und Fliegen, aber auch Bienen (v.a. der Gattungen Andrena-, Hylaeus- u. Lasioglossum) und Wespen zählen zu ihren Besuchern. Hervorzuhebende Sandbienenarten, die oligolektisch an Daucus carota sammeln sind Andrena nitidiuscula, Andrena nuptialis, Andrena pallitarsis, Andrena proxima und Andrena rosae.

Die weiß gefärbten, gut getarnten Weibchen der Veränderlichen Krabbenspinne Misumena variata nutzen die Blütendolden der Wilden Möhre bevorzugt, um hier auf ihre Beute zu lauern. Auch unter unseren heimischen Schmetterlingsarten ist die Wilde Möhre beliebt. Sie ist unter anderem eine Raupen-Futterpflanze für die Amethysteule Eucarta amethystina, (in Deutschland stark gefährdet) und das Haarstrang-Widderchen Zygaena cynarae, die beide auf die Wilde Möhre spezialisiert sind und neben ihr nur wenige andere Pflanzenarten als Raupen-Futterpflanze nutzen (Oligophagie). Des Weiteren frisst der Stieglitz im Herbst mit Vorliebe die reifen Samen der Wilden Möhre.

Die Wilde Möhre ist in allen Teilen essbar. Hierbei sollte dennoch die Pflanze vorher genau bestimmt werden, da eine Verwechslungsgefahr mit giftigen Vertretern der Doldenblütler besteht, die der Wilden Möhre zum Teil in ihrem Blatt- oder Blütenstand ähneln (z.B. Conium maculatum). Daucus carota war bereits eine beliebte Kulturpflanze der Römer, Griechen und Germanen. Im Zeitraum von April bis Juni können ihre zarten Blätter und noch weichen Stiele zu aromatischen Salaten und Gemüsegerichten verarbeitet und als Würze für Suppen verwendet werden. Ihre Blütendolden können zwischen Juni und September als essbare Dekoration dienen. Die Wurzel der Wilden Möhre ähnelt im Geschmack dem der bekannten Garten- oder Kulturmöhre, ist allerdings süßer und weniger wässrig. Unsere heutige Gartenmöhre (subsp. sativus) stammt wahrscheinlich von einer asiatischen Unterart ab. Kraut und Frucht der Wildform haben einen petersilien- bis anisartigen Geschmack. Das Öl der Samen findet auch technische Verwendung, wohingegen die Wurzeln der Möhre auch zur Herstellung von Vitamin A genutzt werden.

Auf einen Blick

7.2 Biodiversitätsstreifen
Asien, Afrika und Europa
Staude
Horst oder Schaftaufrechte Sprosse, die gleichmäßig verzweigt sind und sich kreisförmig ausbreiten, der Horst ist vom Grund an verzweigt, der Schaft ist in den Blütenstand hinein verzweigt
30-120 m hohe Halbrosettenpflanze, Stängel borstig behaart, Blätter 2-3-fach gefiedert, Tiefwurzler, Nektar führende Scheibenblume vom Heracleum-Typ, zusammengesetzte Dolde, meist schwarz-violette sterile Blüte im Doldenzentrum; charakteristische, lange, fein fiederteilige Hüllblätter

Wissenschaftliche Informationen

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Daucus carota L.
Apiaceae (Doldenblütler)
Daucus
carota
'Dara'
Daucus carota subsp. carota, Carota sativa Rupr., Carota sylvestris Rupr., Caucalis carnosa Roth, Caucalis carota (L.) Cr., Caucalis carota Huds., Caucalis daucus Cr.

Standort

Fr1Freifläche, trockener Boden, Fr2Freifläche, frischer Boden
vollsonnigLichteinfluss von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, sonnigBesonnung mindestens von Sonnenaufgang bis Mittag, von Mittag bis Sonnenuntergang
frischpF 3,9-3,1, mäßig trockenpF 4,0, trockenpF 6,5-4,1
durchlässigSubstrat mit guten Drain-Eigenschaften, Wasser kann abfließen, humoshoher Anteil organischer Substanz, lehmigBoden mit anorganischen Bestandteilen aus etwa gleichen Anteilen von Ton, Schluff und Sand, nährstoffreichDer Boden ist gut mit Mikro- und Makronährelementen versorgt, sandigBoden mit 20-40% Massenanteil an Korngrößen zwischen 0,063 und 2mm, schluffigBoden mit 15-40% Massenanteil an Korngrößen von 0,063-0,63mm und unter 20 % Massenanteil an Korngrößen unter 0,063 mm, stellt keine besonderen Ansprüchegedeiht auf den meisten Gartenböden problemlos
pH 6-7,5
CR-StrategeKonkurrenz-Ruderal-Strategen sind störungstolerante, wuchsstarke, mäßig langlebige Ruderalpflanzen mit rascher Jugendentwicklung, hierzu gehören großwüchsige einjährige überwinternde oder kurzlebige ausdauernde mit Tendenz zu starker Versamung
Imöglichst einzeln oder in kleinen Tuffs von 1-3 Stück pflanzen

Verwendung

Naturnahe Pflanzungen, Wildpflanzengärten,
die gesamte Pflanze
Ja, duftend
Insektenweide für Käfer, Fliegen, Wespen und Bienen (46 Wildbienenarten, davon 6 spezialisiert; v.a. Vertreter der Sand- und Furchenbienen), Raupenfutter-Pflanze für 10 Schmetterlingsarten (davon zwei spezialisiert); Samen als Nahrungsquelle für Vögel
Epichorie, Anemochorie

Blätter

Stängelblätter 2-3-fach gefiedert, Fiederblättchen eingeschnitten, Fiederlappen linealisch-lanzettlich, grüne Blattfarbe
immergrünImmergrüne Gehölze treiben im Frühjahr aus, das Gesamtblattkleid wird im Verlauf von 3-11 (-15) Vegetationsperioden erneuert, die Blätter leben mehrere Jahre, Blattfall erfolgt nicht zu einem festen Zeitpunkt, sondern über das Jahr verteilt
Ja

Blüte

weiße Doppeldolden, vierstrahlig, zur Blütezeit flach gewölbt, Hüllblätter lang, 3-teilig o. gefiedert, streng proterandrisch, Strahlen zur Fruchtzeit zusammengeneigt, selten gelblich oder rosa
Juni, Juli, August, September
Cantharophilie - KäferbestäubungSonderform der Entomophilie, InsektenbestäubungBestäubung durch Insekten, Melittophilie - BienenbestäubungSonderform der Entomophilie - Insektenbestäubung durch Bienen und Hummeln, Myophilie - FliegenbestäubungSonderform der Entomophilie - Insektenbestäubung durch Diptera (Fliegen und Mücken)
weiß

Frucht

längliche Spaltfrucht; in zwei Teilfrüchte zerfallende Doppelachänen (einsamig, mit widerhakigen Stacheln besetzt), die am Karpophor befestigt sind;, 4 Stachelreihen pro Teilfrucht
Juli, August, September

Wurzel­system

WurzelÜberwinterung in einem unterschiedlich differenzierten Wurzelstock
wurzelt bis 80 cm tief mit dünnen, stark verästelten Wurzeln, Hauptwurzel und Hypokotyl fleischig verdickt zur Wurzelrübe, über die Zeit abfallende Seitenwurzeln hinterlassen Querriefen an d. Hauptwurzel

Jahreszeiten

im August

Besonderheiten / Zusätzliche Daten

einheimischnatürliche rezente Verbreitung in Mitteleuropa, Rote-Liste-Deutschland Gefährdungsstatus: ungefährdet

Verfasser / Literatur

Anja Lips
Anja Lips
  • Ruprecht Düll & Herfried Kutzelnigg (2022): Die Wild- und Nutzpflanzen Deutschlands - Vorkommen - Ökologie - Verwendung. - 9. Auflage. Quelle & Meyer Verlag GmbH & Co., Wiebelsheim [Hrsg.], ISBN: 978-3-494-01825-6
  • Staudengärtnerei Gaißmayer (2023): Saatgut (konventionell): Daucus carota – Wilde Möhre. - Online verfügbar: zuletzt abgerufen am: 30.07.2023
  • Bundesamt für Naturschutz (2023): Floraweb. Daucus carota L. - Online verfügbar: zuletzt abgerufen am 30.07.2023
  • UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH (2023): BiolFlor - Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland - Daucus carota - Online verfügbar: zuletzt abgerufen am: 30.07.2023
  • ECKEHARDT J. JÄGER, FRIEDRICH EBEL, PETER HANELT, GERD K. MÜLLER (Hrsg.): Rothmaler Exkursionsflora von Deutschland. Band 5: Krautige Zier- und Nutzpflanzen. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-0918-8.
  • H. Stephan, M. Wichert, T. Puhlmann, S.H. Ahmed (2023): NaturaDB. Daucus carota. - Online verfügbar: zuletzt abgerufen am: 30.07.2023
  • Arnulf Schultes & Roland Bönisch (2023): Pflanzen in Deutschland. Daucus carota. - Online verfügbar: zuletzt abgerufen am: 30.07.2023
  • Alfred Feßler (1988): Naturnahe Pflanzungen. Stuttgart: Eugen Ulmer [Hrsg.]
  • Fleischhauer, S. G., Guthmann, J. & Spiegelberger, R. (2019): Essbare Wildpflanzen - 200 Arten bestimmen und verwenden - 21. Auflage - AT Verlag, Baden und München [Hrsg.], ISBN: 978-3-03800-886-6
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